Meine Recherchedatenbank für historische Romane – ein Einblick
Autoren historischer Romane benötigen Zugang zu einem großen historischen Fachwissen, egal ob ihre Geschichten im Mittelalter spielen oder in der Zeit von Jane Austen. Die Informationen, die ich für meinen Roman benötige, habe ich auf Karteikarten zusammengefasst und in einer Art elektronischem Zettelkasten gespeichert. Ich lade Sie zu einer Führung durch meine Recherchedatenbank ein.
In diesem Beitrag:
- Der elektronische Zettelkasten – vier Beispiele für Recherchedatenbanken
- So organisiere ich meine Recherchedatenbank für historische Fakten
- Kategorien bilden (oder: Warum Schokolade wichtig ist)
Je mehr ein Autor über die Zeit weiß, in der sein Roman spielt, desto einfacher ist es, die Vergangenheit zum Leben zu erwecken. Dabei reicht es nicht, Fachbücher nur zu lesen. Man muss den Inhalt über längere Zeit bei Bedarf zur Hand haben können. Notizen sind da hilfreich. Aber je mehr Notizen wir sammeln, desto schwieriger wird es, den Überblick zu behalten. Die Notizen wollen gespeichert und sortiert werden – und schnell wiederfinden möchten wir sie auch noch. In diesem Bericht schildere ich, wie ich meine Recherchedatenbank erstellte.
Als ich vor einigen Jahren mit der historischen Recherche begann, schrieb oder kopierte ich alle Informationen in Word-Dateien. Es gab eine Datei über Speisen, eine Datei über Getränke, eine mit einer Zeitachse für bedeutende Ereignisse, eine sehr, sehr große Datei für alle historischen Personen, und so weiter. Nach einer Weile wusste ich zwar, dass ich irgendwo Notizen über Schokolade in der Regency-Zeit hatte – aber wo? Vermutlich in der Datei über Speisen. Aber die Informationen über Schokolade konnten sich auch in der Datei über Getränke befinden. Während der Regency-Zeit wurde Schokolade nämlich nicht gegessen, sondern getrunken, als heiße Schokolade. Bei der Recherche war es also mitunter schwierig, eine Information eindeutig zuzuordnen und wiederzufinden.
Je mehr ich darüber nachdachte, desto besser gefiel mir die Idee, die Fakten wie bei der Recherche für eine wissenschaftliche Arbeit auf Karteikarten in einem Zettelkasten zu sammeln: Man kann die Karten sortieren, umsortieren und markieren etc. – wie man es gerade benötigt.
Aber Karteikarten beschriften oder ausdrucken? Im 21. Jahrhundert? Ich brauchte ein PC-Programm, das ich wie einen elektronischen Zettelkasten nutzen konnte. Ein solches Programm würde mir die Arbeit ersparen, Karteikarten aus Papier zu erstellen – und gleichzeitig ein paar Bäume retten.
Ich bat einen Freund um Rat: Kannte er eine passende Software für meine Recherchedatenbank? Er nannte mir vier Anwendungen. Was mich betraf, war die Marktforschung damit erledigt: Aus diesen vier Anwendungen würde ich einfach diejenige auswählen, die mir am besten gefiel (Ja, ich weiß, dass es unzählige Foren und Diskussionsgruppen über dieses Zeug gibt. Lassen wir es gut sein!)
Der elektronische Zettelkasten – vier Beispiele für Recherchedatenbanken
Open Source, Freemium, Premium und teure Softwarelösungen: Es gibt viele Möglichkeiten, Daten elektronisch zu speichern und zu sortieren. Ich wählte meine Software aus den folgenden vier Anwendungen:
Evernote
Eine Software um Notizen zu erstellen, zu organisieren und zu archivieren. Evernote ermöglicht es Ihnen, „Karteikarten“ mit Texten, Bildern, Tondokumenten, Webseiten oder Datenanhängen zu erstellen. Die Karteikarten können bearbeitet und mit Schlagworten versehen werden, und es gibt eine Suchfunktion. Normalerweise werden die Daten in einer Cloud gespeichert, aber lokales Speichern ist möglich.
Kosten: Es gibt eine kostenlose Grundversion, aber wenn Sie mehr Funktionen und mehr als 60 MB neue Uploads pro Monat wünschen, müssen Sie auf eine kostenpflichtige Version umsteigen.
Microsoft OneNote
Die Software ist seit einigen Jahren Bestandteil verschiedener Versionen von Microsoft Office (etwa ‚Home and Student‘). Die Cloud-Version steht kostenlos zur Verfügung. Mit OneNotes können Sie Daten auf Seiten ablegen. Auf den Seiten können Sie Notizen, Zeichnungen, Screenshots oder Tondokumente einfügen. Die Seiten können Sie innerhalb sogenannter Notizbücher in Abschnitte zusammenfassen.
Citavi
Eine Software für Quellenverwaltung und Wissensmanagement insbesondere für den akademischen Bedarf, also etwa um Doktorarbeiten zu schreiben. Die Software organisiert Quellenangaben, Exzerpte, Dokumente und Notizen. Außerdem gibt es eine Aufgabemanagementfunktion. Eine integrierte Online-Suche erlaubt es Ihnen, in wissenschaftlichen Datenbanken und Bibliothekskatalogen zu recherchieren. Die Daten werden lokal gespeichert.
Kosten: Es gibt eine Gratis-Version, die auf 100 Quellen pro Projekt begrenzt ist. Die Komplettversionen kostet für Privatnutzer 119 Euro (Stand November 2015).
lexiCan PRO
Eine Software, um Informationen auf virtuellen Karteikarten zu organisieren. Man kann Texte, Bilder und Dateien einfügen und verlinken. Die Karteikarten können hierarchisch gruppiert werden. Die Daten werden lokal gespeichert.
Kosten: 39,90 Euro für Privatnutzer (Stand November 2015).
Jede dieser Anwendung eignet sich als Datenbank für Autoren historischer Romane. Die Entscheidung für eine von ihnen ist eine Frage des persönlichen Geschmacks.
Ich entschied mich für lexiCan PRO und bin mit dem Programm sehr zufrieden. Die Software lässt sich leicht installieren, und es gibt viele copy & paste- und drag & drop-Funktionen. Die Nutzung ist selbsterklärend und orientiert sich an dem Zettelkasten mit Karteikarten aus Papier (außer natürlich bei Funktionen wie Schlagwortvergabe und hierarchischer Gruppierung).
So organisiere ich meine Recherchedatenbank für historische Fakten
Nachdem die Software erfolgreich installiert war, musste ich den Inhalt meiner Word-Dateien in ihr neues Zuhause überführen. Die gesammelten Informationen sollten zu einem Stapel virtueller Karteikarten werden. Jede Karte sollte nur Informationen über einen Sachverhalt enthalten. Die Karten würde ich in einer sinnvollen Struktur gliedern.
Ein Beispiel: Wenn ich Informationen über Schokolade suche, will ich alle wichtigen Informationen über heiße Schokolade als Getränk in der Regency-Zeit auf einen Blick erhalten. Ich will kein langes Essay über Schokolade lesen, denn das würde dazu führen, dass ich in der Küche nach Schokolade suche, anstatt am Roman zu arbeiten.
Bevor ich also meine Word-Dateien in einzelne virtuelle Karteikarten mit einzelnen Informationen unterteilen konnte, musste ich eine passende Struktur für die Karteikarten erstellen.
Es gibt viele Arten, um Daten zu klassifizieren. jede Bibliothek hat eine Systematik, nach der sie Bücher und Medien sortiert. Das offene, flexible „Wiki“ ist eine ganz andere Methode: Ein Wiki kann so gut wie keine vorgegebene Struktur haben. Struktur entsteht durch die Verlinkung von Seiten.
Als ich die Struktur meiner Recherchedatenbank entwickelte, legte ich zwei Hauptkriterien zu Grunde:
- Die Grundstruktur muss einfach und übersichtlich sein, so dass neue Karteikarten leicht zugeordnet und vorhandene Karteikarten schnell gefunden werden können.
- Die Struktur muss so flexible sein, dass ich sie sowohl für meinen aktuellen Roman als auch für zukünftige Romane verwenden kann.
Die Recherchedatenbank soll aber noch mehr können: Sie soll das Schreiben eines historischen Romans unterstützen. Das geschieht durch eine passende Gliederung. Ich unterscheide bei meiner Datenbank zwei Wissensbereiche:
- Personenbezogenes Wissen
Autoren müssen wissen, wie sich die Figuren ihres Romans kleiden, und frisieren, welche Schönheitsmittel sie verwenden, was sie essen, wo und wie sie ihre Freizeit verbringen, was sie lesen, wieviel sie beim Einkaufen ausgeben, womit sie zahlen, wo sie einkaufen, wie ihre Wohnungen aussehen, welchen Verhaltensregeln sie folgen und welche zeitgemäßen Vornamen sie tragen können.
- Allgemeines Wissen über eine Zeit
Gute Kenntnisse über eine Ära helfen dem Autor, einen klaren Plot zu entwerfen und glaubwürdige Romanfiguren zu entwickeln. Diese Kenntnisse umfassen Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Literatur; neue und traditionelle Techniken; Kriege; die Städte des Landes, in dem der Roman spielt; fremde Länder, die während einer Ära eine bedeutende Rolle spielen; historische Personen und allgemeine Kulturgeschichte.
Ich gliedere meine virtuelIen Karteikarten gemäß der Themen dieser zwei Wissensbereiche.
Kategorien bilden (oder: Warum Schokolade wichtig ist)
Auf dem Bild sehen Sie die Kategorien meiner Recherchedatenbank.
Wie Sie sehen, bilden „Speisen und Getränke” eine eigene Kategorie. Wäre Essen und Trinken nicht besser als Unterkategorie von „Alltagleben“ aufgehoben? Für mich sind Informationen über typische Lebensmittel einer Zeit beim Schreiben sehr wichtig. Um schnell auf dieses Wissen zugreifen zu können, habe ich die Kategorie „Speisen und Getränke” in die oberste Hierarchieebene der Datenbank aufgenommen.
Es wird Ihnen auch aufgefallen sein, dass Speisen und Getränke eine gemeinsame Kategorie bilden, statt zwei. Das liegt an der Schokolade. Heutzutage essen und trinken wir Schokolade. Zu Jane Austens Zeiten war Schokolade aber ausschließlich ein Heißgetränk. An dem Beispiel von Schokolade zeigt sich, dass es sinnvoll sein kann, Kategorien nicht zu eng zu fassen.
Personen im Mittelpunkt
Eine besondere Vorgehensweise habe ich auch für Informationen über historische Personen gewählt. Historische Personen ordne ich nicht nach ihrer Leistung, einem Ereignis oder einem Merkmal, für das sie bekannt sind. Der Herzog von Wellington, der 1815 die Schlacht von Waterloo gewann, ist also nicht in der Kategorie „Krieg & Militär” gespeichert. Auch der Erfinder Humphry Davy findet sich nicht in der Kategorie „Wissenschaft“. Beide sind in meiner Datenbank in der Kategorie „Historische Personen“ gespeichert.
Ist dies eine sinnvolle Gliederung? Nun, ich habe dem Kriterium „Person“ Priorität über allen anderen Kategorien eingeräumt. Für mich hat sich dies bewährt, denn ich kann mir nicht alle Merkmale jeder historischen Person in meiner Datenbank merken. Zudem haben einige historische Personen mehrere herausragende Merkmale: Der Herzog von Wellington war Soldat und Politiker. Ich könnte natürlich seine Karteikarten mit den Schlagworten „Soldat” und „Politiker” versehen oder seine Karteikarte mehreren Kategorien zuordnen, etwa der Kategorie „Militär“ und der Kategorie „Politik“. Aber derzeit bin ich mit der streng hierarchischen Zuordnung zu genau einer Kategorie sehr zufrieden. Bei Bedarf kann ich über die Suchfunktion alle Herzöge, Soldaten, Politiker und Wissenschaftler finden.
In der Kategorie „Historische Personen“ ist ein weiterer Aspekt für mich sehr wichtig: Wann die Personen gelebt haben. Im Titel der Karteikarte stehen daher neben dem Namen auch und ihr Geburts- und Todesjahr. So kann ich auf den ersten Blick sehen, ob ich eine Person für einen Roman, der im Jahr 1813 spielt, verwenden kann. Es wäre unerfreulich, wenn die Person drei Jahre vorher verstorben wäre.
Von der Kategorie zur Karteikarte
Eine Kategorie kann Karteikarten oder weitere Unterkategorien enthalten. Die Kategorie “Alltagsleben” umfasst derzeit 10 Unterkategorien (siehe Bild links).
In der Unterkategorie „Haushalt” finden Sie Karteikarten über Hausputz, Möbel, das Bad, Dienstboten und über den Schutz vor Einbrechern.
Im Bild rechts sehen Sie einen Teil der Unterkategorien von „Speisen und Getränke“. Die Unterkategorien lauten „Alkoholika“, „Alkoholfreie Getränke“, „Speisen bei einem Ball“, „Speisen im Tagesablauf“, „Süßspeisen“, „Speisen, die es noch nicht gibt“ und „Tischsitten“. Außerdem gibt es Unterkategorien mit Speisen, die ein einem bestimmten Monat gereicht wurden, etwa typische Speisen für den Monat Dezember.
Unten sehen Sie eine der Karteikarten über heiße Schokolade. Sie ist unter „Speisen und Getränke“ einsortiert, und zwar in der Unterkategorie „Alkoholfreie Getränke“. Die Angaben sind auf das Wesentliche reduziert. Es gibt auch eine Karteikarte mit Rezepten für heiße Schokolade aus dem 18. Jahrhundert. Das ist aber ein Thema für einen anderen Beitrag.
Parallelstrukturen bei Bedarf – oder auf Dauer
Meine Datenbank hat eine interessante Erweiterungsmöglichkeit: Zusätzlich zu meiner Struktur, die Sie sie oben sehen, könnte ich eine zweite Struktur kreieren, etwa „Aktueller Roman“. Darunter könnte ich die Unterkategorien „Kapitel 1“, „Kapitel 2“ etc. bilden. Ohne die Hauptstruktur meiner Datenbank zu ändern, könnte ich diejenigen Karteikarten, die ich für den aktuellen Roman benötige, dem Bereich „Aktueller Roman” und den jeweiligen Kapiteln zuordnen. Eine solche Gliederung kann sich als sinnvoll erweisen, wenn in einem Roman zahlreiche unbekannte Schauplätze vorkommen, etwa in einer englischen Kolonie oder auf dem europäischen Kontinent. Ich kann auf diese Weise die benötigten Recherchedaten sinnvoll bündeln.
Fazit
Recherchedatenbanken für Autoren sind nützliche Instrumente:
- Die Verwendung von Karteikarten hilft, die Information pro Karte präzise zu halten und auf einen Aspekt zu begrenzen.
- Mit der Volltextsuche kann man eine beliebige Information im Handumdrehen finden.
- Sie können die Karten mit Schlagworten versehen, um über die Schlagwortsuche Information zu finden.
- Sie ersparen es sich, auf der Suche nach einer Information mehrere große Word-Dateien öffnen und durchsuchen zu müssen.
- Sie können die Karteikarten leicht sortieren und neu zusammenstellen. Sie können dieselbe Karte mehreren Kategorien (und sogar mehreren Schreibprojekten) zuordnen, so wie es für Sie gerade am besten ist.
Sind auch Sie Autor oder Autorin historischer Romane? Gern können Sie im Kommentarfeld schildern, wie Sie Ihre Recherchedatenbank zu Ihrem historischen Roman aufgebaut haben. Vielen Dank!
Ein Beitrag von Anna M. Thane, Autorin des Romans
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